Die Katakomben... - Brigitte Knoop genannt Hennigfeld

Brigitte Knoop genannt Hennigfeld
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Herausgegeben von Brigitte Knoop - 28/12/2019
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Wenn man niemanden hat, ausser....
Herausgegeben von Brigitte Knoop - 27/12/2019
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Die Katakomben...

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Die Katakomben von Misraim
von Michale Ende
aus
Das Gefängnis der Freiheit

Die Einsicht kam plötzlich und war unbezweifelbar. Es half nichts, sich gegen sie zu wehren. Er, Iwri, war anders als alle anderen Leute des Schattenvolkes. Diese Einsicht machte ihn keineswegs glücklich.
Er lag in seiner Schlafnische und konnte keinen Schlaf finden. Mit offenen Augen starrte er zur Decke hinauf, die nur eine Handspanne über seinem Gesicht lag, hart, schwarz, steinern. Er versuchte sich zu erinnern, aber vergeblich.
Früher war sein Schlaf, wie bei allen anderen Schatten, ein bewusstloser Starrezustand gewesen, eine ausgesparte, dunkle Stelle zwischen den wachen Phasen der Tätigkeit und der Nahrungsaufnahme. Doch letzthin hatte sich etwas geändert, er empfing im Schlaf undeutliche Eindrücke, Bilder zogen an ihm vorüber. Nie gekannte Gefühle bestürmten ihn. Er entsann sich dämmerhaft, in diesem Zustand an ein letztes, äußeres Ende der Welt von Misraim gekommen zu sein und dort Öffnungen geschaut zu haben, die den Ausblick auf etwas gewährten, das außerhalb der Katakomben lag. Was dieses Außerhalb gewesen war, hatte sein Gedächtnis nicht festhalten können, doch seine Wangen waren jedes Mal nach seinem Erwachen nass von Tränen. lwri musste sich eingestehen, dass er sich nach diesen abnormen Zuständen sehnte. Zugleich schämte er sich dafür, denn er war sicher, dass er sich Illusionen hingab. Und das galt allgemein als unverzeihliche Schwäche.
Nach der offiziellen Lehre, die niemand zu bezweifeln wagte, war die Welt von Misraim, dieses labyrinthische Universum aus Gängen, Treppen, Hallen, Stollen, Kammern und Höhlen, in welchem das Schattenvolk lebte, arbeitete, schlief und sich fortpflanzte, die einzig mögliche Wirklichkeit. Es gab große Wissende, die berechnet hatten, dass dieses ganze Katakombensystem zwar nicht unendlich, aber dennoch unbegrenzt sei. Durch eine unwahrnehmbare Krümmung aller Räume in sich selbst kehre ein hypothetischer Wanderer, der sich immer in einer bestimmten Richtung fortbewege, nach einer unvorstellbar langen Reise von der entgegen gesetzten Seite zu seinem Ausgangspunkt zurück. Dabei sei es ganz gleichgültig, ob dazu schon vorhandene Gänge und Tunnel benutzt oder ganz neue gegraben würden, in welche Richtung auch immer. Seither war die Frage, was möglicherweise jenseits der Grenzen von Misraim sei, endgültig als unvernünftig entlarvt und wurde nicht mehr gestellt. Ein solches „Außerhalb“ konnte es schlicht und einfach nicht geben, weil sein pures Vorhandensein es ja eben zu einem Teil Misraim und damit gerade zu einem Nicht— Außerhalb gemacht hätte. Das einzige, was seit jeher bestanden hatte und immer bestehen würde, waren die Katakomben. Dementsprechend galt an sich jede Frage danach, wie man denn nur hier herein geraten sei, nur als ein Zeichen grenzenloser Unwissenheit und wurde spöttisch oder nachsichtig belächelt. Da es kein Hinaus gab, war ja auch ein Herein unmöglich. Als Zeichen hoher Bildung und illusionsloser Aufgeklärtheit galt es dagegen unter dem Volk der „Schatten“, sich damit zufrieden zu geben, dass man nun einmal da war, ohne einen Sinn darin oder einen Grund dafür zu suchen. Das Bewusstsein, sich keinerlei Selbsttäuschung hinzugeben, erfüllte die „Wissenden“ sogar mit einigem Stolz, weshalb sie sich selbst den Titel »die Ent—Täuschten« oder »die Ent—Täuscher« beilegen durften. Dementsprechend galt beim ganzen übrigen Volk der Schatten nur das für wahr, was den bitteren Geschmack von Enttäuschung hatte.
Die Schlafnische, in der Iwri lag, war eine von vielen, die sich in den Wänden der großen Ruhehöhle befanden, genauer gesagt, die siebente von unten und die achtundzwanzigste von rechts in der westlichen Wand, und nur durch eine der fahrbaren Leitern zu erreichen. Auch die anderen Wände waren voller Schlafnischen, eine wie die andere zwei Meter lang und einen halben hoch. Und es gab andere Ruhehöhlen in allen Teilen der Katakomben, größere als diese und kleinere. Wie viele, wusste lwri nicht. Er hatte sagen hören, dass es sogar Grabkammern für Paare oder für einzelne geben solle, dabei musste es sich aber wohl um besonders privilegierte Mitglieder des Schattenvolkes handeln.
Iwri durchforschte sein Gedächtnis, wann diese seltsamen Zustände zum ersten Mal über ihn gekommen waren. Bei der Frage nach dem Wann stellte er nicht ohne Beunruhigung fest, dass er seine Wachphasen nicht voneinander unterscheiden konnte. Es war ihm, als erblicke er nur eine endlose Reihe von Spiegelbildern, vollkommen identisch, die sich nach hinten in der Dämmerung verloren. Ein immer gleiches bleigraues Zwielicht erfüllte alle Räume in Misraim, ein Licht, das von nirgendwo herzukommen schien, so, als würde es wie Nebel in der reglosen Luft. Im Grunde, so sagte er sich, gab es überhaupt keine Zeit, wenn Zeit Veränderung bedeutete, sondern nur die unablässige Wiederholung ein und desselben, ein immerwährendes amorphes Jetzt. Die Zeit war gleichsam ein dickflüssiger Brei, der ständig umgerührt werden musste, damit er in Bewegung blieb. Sobald man die Hand zurückzog, stockte er, und es gab keinen Unterschied zum Vorher oder Nachher, so als sei er überhaupt nie in Bewegung gewesen.
»Es führt zu nichts«, hörte er die Stimme des Chefs ganz nahe an seinem Ohr. »Es ist eben so, wie es ist. Du willst jetzt aufhören mit der nutzlosen Grübelei. Du möchtest viel lieber denken, was alle denken, und tun, was alle tun. Du willst zur Gemeinschaft gehören. Du willst dich nicht aussondern.«
Iwri kannte diese Stimme, wie jeder Schatten sie kannte. Der da zu ihm sprach, war der Direktor und Oberste Anordner von Misraim, Herr Bechmoth. Niemand hatte ihn je zu Gesicht bekommen, und doch war er allgegenwärtig durch dieses leise, heisere Raunen von bezwingender Eindringlichkeit. Außer in den Schlafphasen redete er fast ohne Unterbrechung zu jedem einzelnen, gab ihm Anweisungen und Befehle, lobte, tadelte, lenkte und koordinierte dessen Tätigkeit mit der aller anderen. Wie er das bewerkstelligte, ob durch ein unvorstellbar ausgeklügeltes System verborgener Lautsprecher oder gar im Ohr eingebauter Empfänger war selbst den Wissenden unbekannt, doch galt seine Fähigkeit, all die zahllosen und dabei überaus spezifischen Anordnungen immerfort gleichzeitig zu übermitteln, ohne je irgendein Zeichen von Ermüdung oder Verwirrung erkennen zu lassen, als ein Mysterium übermenschlicher Intelligenz, das jeden Widerspruch von vornherein als absurd erscheinen ließ. Deshalb wurde ihm vom Volk der Schatten nahezu religiöse Verehrung und bedingungsloser Gehorsam gezollt.
»Du willst jetzt aufstehen und an deine Arbeit gehen«, raunte die Stimme.
Die Leiter glitt selbständig heran. lwri wälzte sich aus seiner Schlafnische, stieg hinunter und ging durch den Eingang der Ruhehöhle auf den Hauptkorridor hinaus.
In endlosen Kolonnen marschierten die Schatten zu ihren jeweiligen Arbeitsplätzen, oder sie kamen von dort, treppauf, treppab, durch Tunnels und Korridore, Hallen und Stollen, entlang an bodenlosen Abgründen und über Brücken, bis in die letzten Verästelungen und Kapillaren des unermesslichen Adernsystems von Misraim. Die Tätigkeits-, Schlaf- und Nahrungsaufnahmephasen jedes einzelnen waren streng geordnet, so dass der Gesamtkreislauf niemals ins Stocken geriet. Für alles Notwendige gab es bestimmte Räume, auch für die intimeren Körperverrichtungen wie Ausscheidung oder Paarung.
lwri reihte sich ein. Er musste nicht überlegen, wohin er zu gehen hatte, denn die Stimme des Anordners lenkte seine Schritte: »Linke Abzweigung — ‘Treppe hinauf— geradeaus — rechter Tunnel..
Im Prinzip gab es unter den Schatten keinerlei berufliche Spezifikation, jeder konnte jederzeit zu jeder Arbeit herangezogen werden. So war Iwri derzeit einem Vermessungstrupp zugeteilt, der die Länge, Höhe und Breite aller vorhandenen Treppenstufen festzustellen hatte — bei der unendlichen Zahl solcher Treppen eine Arbeit ohne Aussicht, jemals fertig zu werden. Darum wurden die Mitglieder des Trupps von Zeit zu Zeit ausgewechselt, und die neu Hinzugekommenen fingen wieder von vorne an. Keiner von ihnen wusste, welchen Sinn diese Tätigkeit hatte, und keiner fragte danach. Die Stimme des Chefs versicherte ihnen, dass ihre Arbeit von außerordentlicher Wichtigkeit sei, und es gab keinen Grund, daran zu zweifeln.
Der Fels, in den das ganze Katakombensystem gegraben war, bestand aus einer graphitschwarzen Substanz von großer Schwere und Dichte. Ein kopfgroßes Stück davon wog so viel, dass ein einzelner es kaum hochzuheben vermochte. Da sie obendrein noch zäh und gleichzeitig hart war, setzte sie jeder Bearbeitung größten Widerstand entgegen. Gelang es aber doch, einen Brocken zu zerschlagen, so zerfiel er sogleich zu Staub. Dieser wurde auf Schienenfahrzeugen fortgeschafft und in weit entfernten Anlagen — lwri kannte niemanden, der sie je gesehen hatte — zur einzigen Nahrung für das Schattenvolk verarbeitet. Es handelte sich um eine schwarze Brühe, die Hunger und Durst sehr rasch stillte, aber nach nichts schmeckte. Man brauchte nur wenig davon. Der Schatten, der sie zu sich nahm, wurde dadurch dichter und dunkler. Umgekehrt bewirkte der Mangel an Nahrung ein nebelartiges Verwischen der Konturen bei dem Hungrigen, ja, auf längere Sicht sogar eine leichte Transparenz. Das gleiche, nur auf nicht mehr rückgängig zumachende Art, geschah auch beim Tode eines Schattens: Er wurde durchsichtig und löste sich wieder in Staub auf.
Trotz des ständigen Nahrungsbedarfes so vieler blieb — nach Auskunft der »Ent-Täuscher« — die Gesamtmenge der Substanz konstant. Was auf der einen Seite abgebaut wurde, kam auf der anderen in Form von Müll, Abfällen, Exkrementen und den Staub der Hingeschiedenen wieder hinzu. Was sich also im Laufe großer Zeiträume ändern konnte, war höchstens die innere Struktur, nicht aber das ursprüngliche Volumen der Welt von Misraim. Diese Einsicht wurde allgemein als beruhigend empfunden.
Iwri hatte an seinem Arbeitsplatz wie immer seit er dem Vermessungstrupp angehörte, ein Stück Kreide vorgefunden, mit dem er bestimmte Stellen der Treppe zu bezeichnen hatte. Widerspruchslos ging er ans Werk, doch war er nicht recht bei der Sache. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu den seltsamen Erlebnissen während seiner letzten Schlafphase zurück. Als schließlich die Arbeitszeit vorüber war, legte er das Kreidestück nicht, wie es der Vorschrift entsprochen hätte, dorthin zurück, wo er es vorgefunden hatte, sondern steckte es in die Tasche. Niemand schien es zu bemerken, auch die Stimme Bechmoths meldete sich nicht. Er selbst hätte nicht erklären können, warum er es getan hatte. Unterwegs auf dem Rückweg versteckte er das Kreidestück in einem niedrigen Seitengang, der unbenutzt schien. Danach ging er zur Nahrungsaufnahme, wurde dunkler, fühlte sich müde und begab sich gehorsam in seine Schlafnische. Wieder suchten ihn diese seltsamen Bilder heim, und wieder konnte er sich nach dem Erwachen nicht erinnern, was er jenseits der Durchblicke gesehen hatte. Das Kreidestück hatte er vergessen, doch da er an seinem Arbeitsplatz ein neues vorfand, kam ihm das nicht einmal zu Bewusstsein.
Während der nächsten Arbeitsphasen wiederholte er seinen Diebstahl noch mehrmals, ohne dass jemand es ihm verwehrt hätte. Erst als er schon sechs oder sieben Kreidestücke in seinem Versteck angesammelt hatte, gelang es ihm, sich nach dem Erwachen an seine ihm vorerst selbst noch ganz unbegreifliche Handlungsweise zu erinnern. Und als die nächste Ruhephase kam, tat er etwas, das ihm selbst als unerhörte Eigenmächtigkeit, ja als Verbrechen er schien. Anstatt sich, wie die Stimme des Chefs es anordnete, in seiner Schlafnische zur Ruhe zu begeben, schlich er zu seinem Versteck. Diesen Weg zurückzulegen bereitete ihm einige Mühe, da er wie alle anderen daran gewöhnt war, bei jedem Schritt geleitet zu werden. Jetzt musste er eigene Entscheidungen treffen. Doch kaum sah er das Häufchen Kreidestücke vor sich, da wurde ihm klar, warum er diesen Ungehorsam begangen hatte.
Er suchte eine möglichst glatte Stelle an einer der Wände und begann, zögernd zunächst und mit wenig Geschicklichkeit, die Umrisse jener Öffnungen zu zeichnen, an die er sich erinnerte. Die ersten Versuche misslangen oder schienen ihm selbst reichlich primitiv, aber er gab nicht auf und versuchte es von neuem. Was ihn dabei antrieb, war die undeutliche Hoffnung, dass er, wenn ihm erst einmal die Darstellung der Öffnungen überzeugend gelänge, auch das in seinem Gedächtnis wiederfinden würde, was hinter ihnen, dort draußen, jenseits der Durch- blicke gelegen hatte. Doch war seine Mühe vergebens.
»Du willst das nicht tun, was du da tust«, hörte er die raunende Stimme des Großen Anordners, die bis jetzt geschwiegen hatte. »Wenn du damit fortführst, werde ich dich verlassen müssen. Ich habe dich gewarnt.
lwri reagierte nicht darauf, sondern arbeitete schweigend und verbissen weiter.
»Was du tust«, sagte die beschwörende Stimme, und zum ersten Mal klang ein Anflug von zorniger Ungeduld in ihr, »was du tust, schmerzt mich. Darum müssen wir deine Existenz streichen. Man wird dich ersetzen. Da du unbedingt leiden willst, leide. Aber es wird Vorsorge getroffen, dass du niemanden mit deiner Krankheit ansteckst. Du gehörst nicht mehr zum Schattenvolk, du bist von nun an nichts mehr. Noch weißt du nicht, was das heißt. Du wirst es lernen.«
Das war für lange Zeit das letzte Mal, dass lwri die Stimme des Chefs hörte.
Nachdem er sein Werk, so gut er es eben konnte, zu Ende gebracht hatte, trat er zurück und betrachtete es eine Weile. Das Ergebnis enttäuschte und entmutigte ihn. Er fühlte sich plötzlich sehr müde.
Er begab sich zur Nahrungsaufnahme, doch teilte niemand ihm seine Ration zu. Er wurde einfach übersehen. Glücklicherweise galt das auch, als er sich selbst versorgte. Niemand hinderte ihn daran, darum beunruhigte ihn die Sache nicht weiter. Das änderte sich allerdings, als er zur Schlafhöhle zu rückkehrte, um seine Nische aufzusuchen. Er musste feststellen, dass diese inzwischen von einem anderen Schatten belegt war. Sonst war keine mehr frei.
Iwri kehrte zum Ort seiner Tat zurück. Ein Reinigungstrupp war eben dabei, seine Zeichnungen abzuwaschen.
»Was macht ihr denn?« fragte er. »Warum tut ihr das?«
Niemand antwortete ihm, man schien ihn nicht einmal gehört zu haben.
»Möchte wissen«, sagte einer der Arbeiter nach einer Weile zu seinem Kollegen, »was das überhaupt sein soll.«
Und plötzlich fiel Iwri das Wort ein. Er erinnerte sich daran, wie an etwas seit Langem Vergessenes. »Es sind Fenster«, sagte er leise, »Fenster. durch die man hinausschauen kann. Das heißt, es sind natürlich keine wirklichen Fenster, nur Bilder davon, leider. Und sie sind außerdem ziemlich unvollkommen . . «
Der Reinigungstrupp beendete seine Arbeit und ging fort. Die Wand war wie vorher. »Fenster...«, murmelte Iwri. Woher war ihm dieses Wort plötzlich zugeflogen? In der Sprache des Schattenvolkes kam es jedenfalls nicht vor. Das Häufchen Kreidestücke lag noch immer in der Ecke. Er nahm eines davon und begann von neuem auf die glatte Wand zu zeichnen. Aber auch diesmal ließ ihn das Ergebnis höchst unzufrieden. Vielleicht, sagte er sich, lag es an der Wand. Vielleicht konnte er irgendwo eine geeignetere Stelle finden. Obgleich ihn dieser Gedanke selbst nicht überzeugte, steckte er doch alle Kreidestücke in seine Tasche und machte sich auf den Weg.
Nie zuvor hatte er sich aus eigenen Kräften zurechtfinden müssen, und so hatte er sich binnen kurzem hoffnungslos im Gewirr der Gänge und Abzweigungen verirrt. Der Versuch, die labyrinthische Anordnung der Höhlen zu begreifen, und die ganz ungewohnte Notwendigkeit, an jeder Kreuzung eigene Entscheidungen zu treffen, erschöpften Iwris Kräfte sehr schnell. Todmüde rollte er sich in einer Ecke auf dem Boden zusammen und schlief. Diesmal stellten sich keine Bilder von Fenstern ein, im Gegenteil, es war ihm, als schöben sich Wände von allen Seiten immer dichter an ihn heran, bis er schließlich kein Glied mehr rühren konnte. Schweißgebadet erwachte er.
Als er sich aufrichtete, erblickte er am Ende eines Korridors einige Ordnungswächter, die, wie ihm schien, suchend herumblickten. Einem plötzlichen Impuls folgend floh er vor ihnen. Erst später, als er außer Atem stehen bleiben musste, fragte er sich, warum er das getan hatte, denn vermutlich war er für sie ebenso wenig vorhanden wie für alle anderen. Sicher konnte er dessen allerdings nicht sein.
Was sollte er nun tun? Da er keine Stimme mehr hörte, die ihm Anweisungen gab, musste er sich selbst eine Aufgabe, ein Ziel setzen. Er war ratlos, und es dauerte lange, bis er in sich die Kraft dazu fand. Was ihm zunächst zu schaffen machte, weil es ihm ganz neu war, war seine Einsamkeit. Wie durch eine unsichtbare, aber undurchdringliche Sphäre war er von allen anderen Schatten getrennt. Zum ersten Mal fühlte er die große Traurigkeit und wusste, dass sie ihn nie mehr verlassen würde, ja, dass dies nur der Anfang war, nur ein erstes Vorzeichen dessen, was ihn erwartete. Die Traurigkeit selbst hatte ihn noch gar nicht erreicht, sie war noch weit fort, eine lastende, riesige Finsternis, die sich von ferne langsam heran schob. Sie war auf allen Seiten, es gab kein Entrinnen.
lwri hatte große Angst davor. Hätte es eine Möglichkeit gegeben, wieder unter die Obhut des Anordners zurückzukehren und vom Schattenvolk aufgenommen zu werden, er hätte vielleicht Gebrauch davon gemacht, nur um nicht mehr allein zu sein. Aber zugleich wusste er, dass er niemals mehr würde aufhören können, nach dem zu suchen, was jenseits der Fenster lag. Es gab also kein Zurück für ihn, dazu war es zu spät. Er musste geschehen lassen, was geschah.
War aber das, was er durch die Fenster gesehen hatte und woran er sich nicht mehr erinnern konnte, kein Hirngespinst, sondern Wirklichkeit, dann gab es — allen Meinungen der Wissenden zum Trotz — außerhalb von Misraim eine Welt oder sogar viele Welten. Aber dann war das ganze unermessliche Katakombensystem nichts als ein Gefängnis, in dem das Schattenvolk aus wer weiß welchem Grund gefangen gehalten wurde. Und Bechmoth, der Große Chef, war nur der Kerkermeister. Das erklärte auch die Härte, mit der er gegen Iwris Versuche, die Fenster zu malen, vorgegangen war. Aber wie war es möglich, dass niemand sonst sich als Gefangener fühlte, dass alle mit ihrem Sklavendasein zufrieden waren?
Auf der Suche nach einem Ausgang irrte Iwri nun während zahlloser Wachphasen, die jetzt ganz unregelmäßig bei ihm verliefen, durch die Labyrinthe von Misraim. Immer auch zugleich auf der Flucht vor möglichen Verfolgern, wagte er es nicht, an einem Ort zu verweilen. Zu der immer mächtiger werdenden Angst und Traurigkeit gesellte sich nun auch noch die Empfindung, lebendig begraben zu sein, in der Enge ersticken zu müssen. Bisweilen verfiel er in Zustände der Panik, die sich bis zu unerträglichen körperlichen Schmerzen steigerten.
Dann begann er zu rennen, bis er vor Erschöpfung zusammenbrach, oder kroch auf allen vieren, oder er tastete sich Schrittchen für Schrittchen wie ein Blinder seines Weges. Dabei gelangte er in immer neue Teile des Labyrinthes, von deren Existenz er bis dahin nichts geahnt hatte. Er kam in Höhlen, die so riesenhaft waren, dass ganze Städte mit vielstöckigen Häusern darin Platz fanden. Er stieg über Stufengewirre aufwärts und abwärts und wieder aufwärts, weil die Treppen immer eine in die andere mündeten oder im Leeren endeten. Er zwängte sich durch Stollen, die so eng und niedrig waren, dass man sie nur auf den Bauch kriechend durchqueren konnte. Er taumelte und rollte schräge Flächen hinunter und klomm in schmalen Kaminen aufwärts. Aber nirgends fand er einen Ausgang aus Misraim, niemals deutete eine Steile darauf hin, dass er an ein Ende der Katakomben gelangt sei. Dagegen geschah es ihm oft, dass ein Ort ihm den Eindruck vermittelte, er sei vor Zeiten schon einmal hier gewesen und nun zurückgekehrt, aber ganz sicher war er sich nie. Die Nahrung stahl er, was nicht weiter schwierig war, da er nach wie vor von niemandem beachte wurde, und er schlief, wo und wann es sich gerade ergab.
Auf all diesen Wegen trug er seine Kreidestückchen mit sich und hütete sie wie seinen kostbarsten Schatz, denn er wusste, dass er keine neuen mehr bekommen würde. Wo auch immer eine Stelle ihm geeignet schien, malte er seine Fenster. Natürlich schmolz sein Vorrat dadurch mehr und mehr zusammen, deshalb wuchs die Sorgfalt, mit der er sich von Mal zu Mal gründlicher vorbereitete, ehe er ans Werk ging, um nur ja keinen Strich zu vergeuden. Aber ebenso hartnäckig, wie er seine Versuche wiederholte, ebenso regelmäßig wurden sie unmittelbar nachher wieder entfernt. Obwohl das sein Tun sinnlos machte, bestätigte ihn gerade die Eile, mit der es geschah, in der Überzeugung, dass seine Arbeit trotz all ihrer Unzulänglichkeit, für Bechmoth oder für das ganze Kerkersystem eine Gefahr darstellte. Er klammerte sich an die Idee, dass alles anders werden würde — was auch immer das bedeuten mochte —‚ wenn es ihm doch noch gelänge, das darzustellen, was er vor langer Zeit jenseits der Fenster erblickt hatte. Aber er konnte es nicht finden, auch in seinen Schlafphasen stellte es sich nicht mehr ein. Im Grunde malte er nur noch die Erinnerung einer Erinnerung, die ihm selbst immer unwahrscheinlicher vorkam, und seine Fenster blieben leer. Die Verzweiflung darüber war das Schlimmste von allem. Die Wirklichkeit von Misraim, an die das Schattenvolk glaubte, war ihm unwiderruflich abhanden gekommen, und die andere, um derentwillen er ausgestoßen war, konnte er nicht finden. Es gab keine Erlösung für ihn, nicht nach dieser, noch nach jener Seite.
Irgendwann kam dann der Augenblick, da er bei einem letzten Versuch sei letztes kümmerliches Kreidestück verbraucht hatte, und wieder war es vergebens gewesen. Damit war für ihn alles zu Ende. Die große Traurigkeit hatte ihn nun erreicht und begrub ihn unter sich wie ein Berg. Er verschaffte sich einen Strick und erhängte sich.
Als er wieder zu sich kam, hatte man ihm Handschellen angelegt. Zwei Ordnungswächter standen über ihn gebeugt und redeten streng auf ihn ein. Er verstand nicht, was sie sagten, nur dass sie zufrieden seien, ihm nun endlich das Handwerk zu legen. Dann zogen sie ihn hoch und führten ihn ab. Er wehrte sich nicht.
Sie brachten ihn in eine kleine, niedrige Einzelzelle, dort blieb er lange Zeit sich selbst überlassen. Er schlief viel, oder besser gesagt, er hielt sich absichtlich in einem Zustand dämmernden Halbbewußtseins, weil jeder Augenblick des Wachens unerträgliche Qual bedeutete. Er vermied es, darüber nachzudenken, was man mit ihm vorhatte, ob er irgendwann wegen seiner Fenstermalerei verurteilt werden würde oder ob man ihn ganz einfach vergessen hatte. Nahrung wurde ihm allerdings von unsichtbarer Hand regelmäßig herein geschoben. Mit dem Stiel seines Löffels versuchte er die Umrisse von Fenstern in die Wände seiner Zelle zu kratzen, doch die Wände waren zu hart und zeigten keine Spuren seiner Mühen.
Er lag zusammengerollt in einer Ecke und hatte das Gesicht zur Wand gedreht, als ein leises Geräusch an seiner Zellentür ihn aufhorchen ließ. Er regte sich nicht. Eine Hand fasste seine Schulter und schüttelte ihn sanft.
»Wach auf«, sagte jemand, »komm mit, aber sei leise.«
Iwri drehte sich langsam um und sah zwei Schatten, einen jungen Mann und ein Mädchen.
»Was wollt ihr?« fragte er und hörte dabei seine eigene Stimme kaum »wer seid ihr?«
»Freunde«, antwortete das Mädchen. »Wir holen dich hier heraus.«
»Freunde. . .«‚ wiederholte Iwri mühsam. »Was soll das heißen?
Die beiden versuchten ihn aufzurichten. »Komm schon. Es bleibt wenig Zeit.«
Iwri sträubte sich. »Das ist ein Irrtum«, krächzte er, »ihr meint jemand anders.«
»Nein, nein«, flüsterte der junge Mann hastig, »wir erklären dir alles später, dann kannst du fragen, so viel du willst. Aber mach schnell.«
lwri ließ sich von ihnen hinausführen, erst durch einen niedrigen Korridor mit mehreren Zellentüren, dann durch einen Raum, wo Schlüssel an den Wänden hingen. In der Ecke saßen zwei Ordnungswächter an einem Tisch, beide das Gesicht auf die Arme gelegt, und schnarchten leise. Die Entführer eilten mit ihm in einen hochgewölbten Tunnel hinaus, wo reger Verkehr herrschte. Sie nahmen ihn in die Mitte.
»Falls uns jemand anhält«, raunte das Mädchen, überlass uns das Reden.«
Tatsächlich mussten sie am Ende des Tunnels nochmals durch eine Kontrolle.
»Krankentransport«, erklärte der junge Mann. »Es ist dringend. Hier sind die Anordnungen.«
Der Wächter überflog das Papier und sagte: »Weiter gehen.«
Über verwirrende Wege erreichten sie schließlich eine Wendeltreppe, die mehrere hundert Stufen in einem Schacht aufwärts führte und zuletzt in einem Saal voller Gerümpel mündete, offenbar ein Magazin für unbrauchbar gewordene Maschinen aller Art. Die beiden versicherten sich, dass niemand ihnen gefolgt war, dann schoben sie einige verrostete Blechplatten beiseite, dahinter wurde in der Wand eine Vertiefung sichtbar. Sie klopften mehrmals in einem komplizierten Rhythmus gegen bestimmte Stellen, die Rückwand der Vertiefung glitt beiseite, und sie schlüpften hindurch. Hinter ihnen schloss sich die Mauer wieder.
»Jetzt«, sagte das junge Mädchen, »kannst du fragen. Jetzt sind wir auf unserer Seite.«
»Auf unserer Seite ... «. wiederholte Iwri. »auf welcher Seite?«
»Außerhalb von Bechmoths Reich.«
Iwri blieb stehen und blickte verwirrt umher. »Außerhalb. . .«‚ murmelte er mehrmals vor sich hin. »Außerhalb.., also doch.., aber.., wer seid ihr?«
»Bechmoths Feinde. Genügt dir das nicht?«
»Doch«, stammelte Iwri, »das heißt, nein. Es genügt mir nicht.«
»Hörst du, es genügt ihm nicht«, sagte der junge Mann. »Erkläre es ihm.«
Sie lächelte. »Herr Bechmoths Rechnung wird nicht aufgehen, niemals, Weil wir dafür sorgen.«
»Seid ihr viele?«
Das Mädchen seufzte. »Leider nicht.« Und der junge Mann fügte hinzu: »Jedenfalls nicht genug.«
»Und ich — was habt ihr mit mir vor?«
»Na, du gehörst doch zu uns, oder nicht?« »Wir brauchen dringend solche wie dich.« »Wozu braucht ihr mich?«
»Das wirst du von Madam selbst erfahren.«
»Sie legt großen Wert auf deine Mitarbeit.«
»Madam? Wer ist das?«
»Die Ärztin, Frau Dr. Lewjothan — hast du noch nie on ihr gehört?«
»Sie ist es, der du deine Rettung verdankst. Sie hat uns geschickt.«
Iwri blieb abermals stehen. »Meint ihr etwa die — eh - die Trösterin?«
»Ja, ich glaube, SO nennt man sie im Schattenvolk.« »Aber komm jetzt weiter. Laß sie nicht warten.«
»Heißt das — es gibt sie wirklich?«
lwri hatte wohl hin und wieder aus Gesprächsfetzen und Andeutungen von einem Gerücht gehört, demzufolge eine geheime Gruppe existiere, die auf irgendeine nicht genauer bekannte Art gegen den Chef und sein System kämpfe und von einer Ärztin, eben jener »Trösterin«, angeführt werde. Es schien nicht geboten, darüber zu sprechen. Iwri hatte den wenigen Andeutungen keinen Glauben geschenkt und sie deshalb bald wieder vergessen. Hastig fragte er: »Sie will mich sehen? Warum?«
»Vielleicht wegen deiner Fenstermalerei. « » Weiß sie denn davon?«
»O ja, mein Lieber. Sie weiß viel, in mancher Hinsicht mehr als Bechmoth. Das ist auch nötig, sonst wären wir bald erledigt.«
»Aber meine Fenster. . .« ‚stammelte Iwri, »sie sind ja nie fertig geworden. Sie waren immer unvollständig. Das Wichtigste fehlte.«
»Darum geht es nicht.«
»Aber worum geht es denn?«
»Vielleicht darum«, sagte der junge Mann, »dass du immun bist«
»Ich bin was?«
»Hör mal«, wandte sich das Mädchen an ihren Partner. »ich fürchte, du redest zu viel,«
»Möglich«, antwortete der, »ich überlasse das besser Madam Lewjothan «
Der Gang, durch den sie gekommen waren, öffnete sich plötzlich, und sie traten auf eine Rampe hinaus. Der Blick, der sich von hier aus bot, war im ersten Augenblick überwältigend für Iwri. In einer Höhle von gewaltigen Ausmaßen breitete sich vor seinen Augen eine Anlage von gläsernen Gewächshäusern aus wie eine lichterglänzende Stadt. Jedes war von innen erleuchtet und glomm in einem eigentümlichen, rosigvioletten Licht. In der Mitte dieser weit hingebreiteten Anlage erhob sich ein Kristallpalast der von einem schmalen, ebenfalls gläsernem Turm überragt wurde.
»Dort oben« hörte Iwri die Stimme des Mädchens nahe an seinem Ohr, »erwartet sie dich. Du wirst den Weg schon allein finden, er ist kaum zu verfehlen. Wir können dich jetzt nicht weiter begleiten.«
»Danke«, sagte Iwri, »wie heißt ihr beiden eigentlich?« Er wandte sich nach seinen Begleitern um, aber sie waren schon fort.
Er stieg von der Rampe herunter und trat in das nächstliegende Gewächshaus ein. Feuchtheiße Luft schlug ihm entgegen und nahm ihm fast den Atem. Es roch süßlich und betäubend nach Verwesung. Iwri musste einen Brechreiz unterdrücken. In schwarzen Beeten zur Linken und zur Rechten wuchsen chaotisch durcheinander große Pilze, deren fahle, fleischige Formen wie organische Knorpel aussahen. Schleimige Fäden hingen zwischen ihnen.
Während er weiterging, von einem Gewächshaus ins andere, immer auf den Glaspalast zu, dessen Turm von überall her zu sehen war, fiel ihm auf, dass die Heizungsrohre, die an den Seitenwänden entlang liefen, an vielen Stellen schadhaft waren, rostzerfressen, verkrustet, da und dort aufgeplatzt. Ebenso verhielt es sich mit den Sprenkelanlagen, die an den Rändern der schwarzen Beete angebracht waren und für die Bewässerung der Pilze sorgen sollten. Überall tropfte und zischte es. Das ganze System schien altersschwach und verkommen. Auch die Lichtquellen, von denen der rosigviolette Schein ausging, hatten verbeulte Blechschirme, hingen schief und krumm oder waren da und dort ganz ausgefallen. An solchen dunkleren Stellen wuchsen keine Pilze aus dem schwarzen, schlammigen Boden.
Schließlich hatte lwri den Glaspalast im Zentrum erreicht. Bisher war er niemandem begegnet. Stockwerk für Stockwerk stieg er in den Turm hinauf und hörte nichts als seinen eigenem Atem und das Kling— Klong seiner Schritte auf den Glasplatten des Bodens. Der höchste Raum war achteckig, von hier aus konnte man nach allen Seiten hin wie von einem Wachturm aus die Gewächshäuser überblicken. Hoch über allem, in der dämmernden Beleuchtung nur schwach erkennbar, wölbte sich die Decke der Riesenhöhle wie ein schwerer, wolkenverhangener Himmel.
»Da bist du endlich«, sagte eine tiefe, eigentümlich verschleierte Frauenstimme plötzlich. »das ist gut.«
lwri drehte sich erschrocken um. Auf der anderen Seite des achteckigen Raumes stand eine sehr hohe, schlanke Gestalt in einem weißen langen Kittel. Ihr Gesicht war nur undeutlich zu sehen, da ein Schatten über ihm lag.
»Frau Doktor Lewjothan?« fragte er stockend.
Die Gestalt nickte. »Komm ein bisschen näher. Ich sehe nicht mehr so gut.«
Er machte ein paar Schritte auf sie zu, sie hob die Hand. »Bleib stehen. das genügt. «
lwri stand jetzt mitten im Raum, er fühlte sich verlegen. Eine Weile war es still, sie betrachteten sich gegenseitig.
Die Dame war über einen Kopf größer als er. Ihr schmales, bleiches Gesicht war fein geschnitten, wirkte aber trotzdem streng, ja geradezu hart. Es war schwer auszumachen, dass es sich um das eines frauenhaften Jünglings oder einer jünglingshaften Frau handelte. Irgendwie waren beide Geschlechter darin enthalten. Ihre dunklen, leicht schräg gestellten Augen ruhten auf ihm, ohne zu blinzeln. Er fühlte eine hypnotische Kraft, die von diesem Blick auf ihn ausging, ohne dass er ein Bedürfnis empfand, sich dagegen zu wehren. Ihr kupferfarbenes Haar war kurz, fast männlich geschnitten. Um ihre Lippen spielte der Anflug eines Lächelns, das jedoch nicht ihm galt, sondern ständig und allgemein zu sein schien. Doch wirkte es nicht heiter, im Gegen teil, es verlieh ihr eine unerklärliche Aura von Tragik, die ihm jede weitere Annäherung verwehrte. Er senkte seinen Blick.
«Deine Fenster«, hörte er ihre Stimme sagen, »haben uns in Gefahr gebracht.«
«Meine Fenster? Wie meinen Sie das?«
»Ich fürchte, mein kleiner Schatten, du bist ein Künstler, ich will damit sagen, du verstehst deine eigenen Ideen nicht. Ja, deine Fenster. Es war von Anfang an klar, was du damit meintest. Es waren unsere Glashäuser, die du unbewusst darstelltest. Aber nun weißt du es, es gibt wohl auch für dich keinen Zweifel mehr, nicht wahr? Und du weißt jetzt auch, was dir bislang noch immer fehlte: Das, was man durch diese Fenster sieht. Du konntest es nicht darstellen, weil du dich davor entsetzt hast. Schockiert dich diese Erkenntnis?«
»Ich weiß nicht«, antwortete er unsicher, »ob es das war. .
Sie lachte tonlos. »Erstaunlich, wie sehr sich gerade das Schöpferische in jedem von uns wehrt, sich seiner eigenen Beweggründe bewusst zu werden. Nur ein bisschen Mut, kleiner Schatten. Wenn du deine eigenen geheimen Sehnsüchte akzeptierst, wirst du dich wesentlich wohler fühlen, das versichere ich dir.«
»Vielleicht haben Sie ja recht...«, murmelte er.
»Oh, ich bin da ganz sicher, aber du musst natürlich aus eigener Einsicht dazu kommen. Ich will nicht, dass du mir nach dem Mund redest. Das hilft uns beiden nicht. Und gerade deine Hilfe ist es — deine freiwillige natürlich — die ich dringend brauche.«
» Meine Hilfe «- fragte Iwri. »Was wollen Sie von mir?« Sie löste ihren Blick von ihm und ließ ihn über das Panorama der glimmenden Gewächshäuser schweben, »Du hast ja wohl selbst auf deinem Weg hierher gesehen, in welch desolatem Zustand sich unsere Anlagen befinden. Wir haben niemand, der geeignet ist, sie instand zu halten. Aber ohne sie ist unsere Arbeit nicht möglich.«
»Diese Pilze — was ist das?« fragte er.
Sie wandte sich ihm wieder zu und lachte auf ihre eigentümlich tonlose Art. »Du hast dich also vor ihnen entsetzt, nicht wahr? Ja, ich gebe zu, sie sehen ziemlich ekelhaft aus. Aber sie sind unser größter Schatz. Aus ihnen gewinnen wir unser Medikament GUL, unsere stärkste Waffe im Kampf gegen Bechmoth. GUL bedeutet nur die chemische Formel. . . «
Sie begann, ihm die Formel zu erklären, doch er verstand nicht, was sie sagte.
Es sind die Sporen«, schloss sie, »aus denen wir das Medikament extrahieren. Aber darum brauchst du dich nicht zu kümmern. Die Pflege und Verarbeitung der Pilzkulturen wird von anderen besorgt. Deine Aufgabe wäre nur die Instandhaltung der Anlage.
»Für wen ist dieses Medikament«, wollte er wissen, »und was bewirkt es?«
» O verzeih, ich vergaß. Das kannst du natürlich nicht wissen, gerade du nicht. Deswegen bist du ja hier. Auf dich wirkt es nicht, oder es hat seine Wirkung verloren — warum wissen wir nicht.«
Sie machte eine Pause und dachte nach.
»Im Grunde«, fuhr sie endlich fort, wobei sie begann, an der Fensterwand entlangzugehen, so dass Iwri sich mitdrehen musste. »im Grunde zielt Bechmoths ganzes ausgeklügeltes System nur auf einen einzigen Zweck ab: seine Opfer leiden zu lassen. Du, mein Kleiner, hast ja zu fühlen bekommen, was das heißt. Warum er das will? Nun, ich denke, der Hunger nach vollkommener Macht ist selbst eine Art Schmerz, der sich nur am Leiden anderer kühlen kann. Vielleicht verschafft ihm die Qual, die er zufügt, eine gewisse Linderung. Aber letzten Endes ist das für uns irrelevant. Nicht Beckmoth ist es, der Hilfe braucht, sondern seine Opfer. Ich hin Ärztin, wie du weißt, und mein Berufsethos schreibt mir vor, Leidenden zu helfen. Oh, ich weiß, man kann darüber endlos diskutieren, aber schließlich läuft doch alles auf eine sehr einfache Arbeit hinaus: Gut ist, was Leiden lindert oder verhindert: böse ist alles, was Leiden verursacht oder vermehrt. Nun, mit GUL, unserem Medikament verhindern wir bei den meisten, dass sie überhaupt zu leiden anfangen. Und wo es doch schon begonnen hat, können wir es so weit reduzieren, dass es für den Betreffenden selbst unter die Wahrnehmungsschwelle sinkt. Und Leiden, das nicht empfunden wird, ist eben keines. Man könnte sagen, GUL das ist eine Art Anästhetikum, ein Betäubungsmittel, das speziell gegen die Foltermethoden Bechmoths unempfindlich macht, aber alle anderen Funktionen unbeeinträchtigt lässt. Bei den meisten Patienten gelingt schon eine äußerst geringe Menge, die wir ihnen ohne ihr Wissen in der Nahrung verabfolgen. In schwierigeren Fällen müssen wir eine größere Dosis injizieren. In sehr seltenen Fällen scheint es allerdings so etwas wie eine angeborene oder erworbene Resistenz gegen unser Heilmittel zu geben — so wie es bei dir offenbar der Fall ist, mein kleiner Schatten. Wir können das nur konstatieren, der Grund dafür ist uns bislang unbekannt. Du hast davon offenbar nichts bemerkt, aber wir haben dir während etlicher Schlafphasen lnjektionen mit hoch konzentriertem GUL verabfolgt, ohne dass es irgendeine Wirkung gebracht hatte. Wir mussten das tun, um dich davon abzubringen, weiterhin deine Fenster zu malen, denn Bechmoth ist ohnehin schon argwöhnisch, und du hättest ihn auf eine Spur bringen können. Dann wurde uns klar, dass du gerade wegen deiner besonderen Konstitution die geeignete Person bist, unsere Glashäuser zu besorgen. «
»Warum?« fragte Iwri. »warum gerade ich? «
Das ständige Drehen hatte ihn ein wenig schwindelig gemacht, außerdem fühlte er sich müde und schläfrig und konnte der monotonen Stimme der Trösterin nur mit Mühe folgen.
»Nun, das liegt doch wohl auf der Hand«, hörte er sie sagen, und zum ersten Mal schwang eine leise Ungeduld mit. »Hör mir gut zu mein Kleiner, du solltest dich nicht begriffsstutzig stellen. Ich habe wenig Zeit, und bin sehr beschäftigt. Also frage nicht, was du sowieso schon verstanden hast. Und außerdem denke ich, wir sollten uns gegenseitig vertrauen, wir stehen doch auf der gleichen Seite. «
lwri nickte erschöpft. Er hatte noch eine Menge Fragen, aber es fiel ihm keine mehr ein. Er setzte sich auf den Boden nieder und stützte den Kopf in die Hand. Eine unwiderstehliche Müdigkeit überkam ihn. Eine Weile noch hörte er wie  aus immer weiterer Ferne die Stimme, die auf ihn einredete, dann versank er in Schlaf.
Als er erwachte, war er allein in dem achteckigen Raum. Er fühlte sich benommen und leer, auf irgendeine undeutliche Art ausgesaugt, doch war die Pein, die er seit so langer Zeit in den Katakomben ertragen hatte, ganz und gar verschwommen. Das allein schon stimmte ihn dankbar.
Niemand war da den er hätte fragen können, was er nun tun sollte. Also machte er sich auf die Suche, durchforschte den ganzen Glaspalast und fand endlich im Keller so etwas wie eine Werkstatt, oder jedenfalls schien es vor langer Zeit eine solche gewesen zu sein. Die herumliegenden Werkzeuge waren größtenteils in so einem verkommenen Zustand, dass sie kaum noch zu gebrauchen waren, doch ein paar davon ließen sich notdürftig wieder herrichten. Hier fand er auch eine Liege mit ein paar zerrissenen, staubigen Decken, ein wenig Geschirr und einen Löffel. So beschloss er, diesen Raum zu seiner künftigen Wohnung zu machen.
In anderen Kellern nebenan entdeckte er eine Menge Kisten mit Ersatzteilen verschiedenster Art für die Treibhausanlagen — Heizungsrohre, Pumpen, Lampen, Drähte, Kabel und vieles andere mehr.
Unverzüglich machte er sich an die Arbeit.
In den ersten Zeiten, die nun folgten, ging er nach einem bestimmten Plan vor. Er nahm zunächst die schwersten Schäden derjenigen Treibhäuser in Angriff die dem Glaspalast am nächsten lagen, weil er annahm,  dass sich hier irgendwo die Mitte des ganzen Systems befände, etwa eine große Hauptfeuerung von der aus das verzweigte Röhrennetz mit Dampf oder Heißwasser versorgt würde, oder ein Schaltwerk für die Beleuchtungsanlagen. Er aber konnte nichts dergleichen finden, nicht jetzt und auch nicht in der folgenden Zeit. Offenbar gab es ein solches Zentrum nicht.
Später ließ er dann jeden Plan fallen und arbeitete, wo es ich gerade ergab. Sein anfänglicher Eifer verwandelte sich in eine sture Verbissenheit. Da er die grundsätzliche Anordnung der ganzen Anlage vergeblich zu begreifen versuchte, blieb ihm nichts anderes übrig, als eben zu flicken, wo es etwas zu flicken gab, mal hier, mal dort. Das wiederum hatte zur Folge, dass seine Reparaturen nach kürzerer oder längerer Dauer schon wieder hinfällig wurden. Wenn er an dem einen Ende fertig war, zeigten sich am anderen schon wieder die alten oder ganz neue Schäden.
Die Arbeit in der feuchten Hitze und dem Miasma Gestank der Pilze war schwer und schweißtreibend. Oft sank er nach vielen Stunden angestrengtester Mühen keuchend und halb erstickt zu Boden. Am meisten aber erschöpfte ihn doch die Aussichtslosigkeit dieses immerwährenden Kampfes gegen den Verfall, eines Kampfes, der niemals, noch nicht einmal für wenige Stunden, zu gewinnen war.
Dennoch gab er nicht auf, da er ja wusste, dass niemand außer ihm diese verrichten konnte und dass sie die Voraussetzung für die einzige Hilfe bildete, die dein Schattenvolk in seinem Elend zuteil werden konnte. Mochte seine Mühe auch unabsehbar sein, so war sie doch nicht sinnlos. Dieser Gedanke hielt ihn aufrecht.
In all der Zeit sah er die Ärztin nicht wieder, er begegnete auch niemals einem ihrer Mitarbeiter, obgleich er feststellen konnte, dass die Pilze verschiedentlich abgeerntet worden waren. Offensichtlich geschah das immer dort, wo er sich gerade nicht aufhielt. Auch fand er stets, wenn er zu seinem Kellerraum zurückkehrte, Nahrung vor, die man ihm hingestellt hatte. Von Zeit zu Zeit kamen sogar neue Kisten mit Ersatzteilen an, wie und woher, wusste er nicht. Es blieb ihm auch kaum Kraft, über derlei nachzudenken. Für gewöhnlich fiel er, kaum dass er gegessen hatte, auf sein Lager und schlief wie ein Toter. An seine Fenster dachte er nicht mehr, er war ja nun von Fenstern umgehen...
Lange Zeit schon hatte er diese einsame Arbeit verrichtet, als er ganz unerwartet doch noch jemandem begegnete. Es war in einem der Gewächshäuser die am weitesten entfernt vom Glaspalast ganz am nördlich gelegenen Rand der Anlage standen und bis zu denen Iwri bisher noch nie vorgedrungen war. Dort fand er in einer dunklen Ecke einen Haufen Lumpen, den er anfangs nicht weiter beachtete. Erst nach einer Weile wurde ihm bewusst, dass er von dorther in gewissen Abständen geflüsterte Worte hörte: »Zerstören .. . alles zerstören... bitte, glaub mir..
Als Iwri genauer hinsah, entdeckte er, dass der Lumpenhaufen das Lager eines offensichtlich uralten Mannes war, der kaum noch atmete, dessen Körper zum Skelett abgemagert und dessen Gesicht von so unerhörten Leiden gezeichnet war, wie Iwri dies noch bei keinem anderen des Schattenvolkes je gesehen hatte. Er hob den Alten, der leicht wog wie eine Puppe, hoch und trug ihn auf den Armen in seine Kellerwohnung unter dem Glaspalast. Dort gab er ihm von seiner Nahrung, flößte ihm Löffel für Löffel davon ein und wollte ihn auf seinem eigenen Lager zur Ruhe betten, aber der Alte weigerte sich und klammerte sich an ihm fest. Er zog Iwris Ohr dicht an seinen eingefallenen Mund.
»Ich habe bis jetzt gegen den Tod gekämpft«, flüsterte er, »weil ich hoffte, dass du mich finden würdest. Aber nun bleiben mir nur noch wenige Augenblicke. Du musst mir alles glauben was ich dir sage, es ist die Wahrheit. Ich bin dein Vorgänger hier in den Treibhäusern. Ich bin sogar der Ingenieur, der die ganze Anlage seinerzeit entworfen hat. Ja, damals habe auch ich geglaubt, richtig zu handeln, so wie du‘s jetzt wohl glaubst. Aber ich habe die Trösterin durchschaut. Es ist alles Lüge, nichts als Lüge. . .«
Er bäumte sich auf, und Iwri drückte ihn sanft aufs Lager zurück.
»Ruh dich jetzt erst mal aus«, sagte er. » Später erzählst du mir alles. «
» Nein«, röchelte der Alte und warf den Kopf hin und her. »es gibt kein Später, ich habe mich all die Zeit versteckt gehalten. Sie würde alles tun, um zu verhindern, dass ich dir die Wahrheit sage. Du wirst gleich verstehen warum, aber unterbrich mich nicht. Ich habe mich nur dafür noch am Leben gehalten, und gleich ist es zu Ende. Hörst du, ich bin mitschuldig an dem, was mit dem Schattenvolk geschieht. Ich muss etwas wiedergutmachen, und du musst es für mich tun. Du darfst hier nichts mehr in Ordnung bringen, im Gegenteil, du musst alles zerstören, was du finden kannst. Jetzt sofort, die Treibhäuser, die verdammten Pilze, versprich es mir. .
»Warum sollte ich das denn», antwortete Iwri verstört. »Die einzigen Linderung für die Gefangenen Bechmoths……..«
»Alles nicht wahr«, krächzte der Alte, »Hat sie dir erzählt, er sei ihr Feind! Ja, das macht sie alle glauben. Ich hab’s auch geglaubt. Aber in Wirklichkeit arbeitet sie mit ihm zusammen. Er braucht sie, er wäre nichts ohne sie. Sie ist seine Bettgenossin. Ich habe sie zusammen gesehen. Ich habe gehört, was sie miteinander geredet haben — über ihre Pläne mit dem Schattenvolk. Ich habe nie etwas Übleres gehört. Als sie‘s merkten, dass ich sie belauscht hatte, haben sie mich bestraft — frag nicht weiter. Wie du siehst, bin ich ihnen entkommen. «
» Aber ich verstehe nicht«, stammelte Iwri. »  Bechmoth hält das Schattenvolk in Misraim gefangen, um an dessen Qualen seinen brennenden Durst nach Macht zu stillen, und Letjothan vereitelt seine Absicht, indem sie die Leiden der Gefangenen lindert. «
» Oh ja«, sagte der Alte. »das tut sie. Aber wie tut Sie das? Gibt ihnen diese verfluchte Droge, durch die sie alles vergessen. Ja, sie vergessen, dass sie Gefangene sind, sie vergessen, dass sie nicht immer das Schattenvolk waren, sie vergessen, dass es jenseits der Katakomben von Misraim andere Welten gibt, aus denen sie alle einst kamen; sie vergessen alles Vorher und nachher, sie vergessen alle Fragen und jede Sehnsucht. O ja, sie sind ruhig und zufrieden mit dem, was ist, denn sie haben keine Erinnerung und keine Möglichkeit zu vergleichen. Sie haben nur noch den Augenblick. Und Sklaven, die nichts kennen als Sklaverei, sind gefügige Sklaven. Gefangene, die nur das Dasein in Gefangenschaft kennen, leiden nicht an ihrer Unzufriedenheit. Das ist die Art, wie die Trösterin hilft.
Er fiel auf das Lager zurück und keuchte schwer er.
Iwri starrte ihm ins Gesicht und murmelte: » Meine Fenster. ‚. meine Fenster.. . also hatte ich doch recht……es war etwas anderes dahinter. .
»Du und ich«, flüsterte der Alte schwach. » wir gehören zu denen, die nichts vergessen können, ob wir wollen oder nicht. GUL wirkt nicht auf uns. Wir sind die Ausnahmen. Verstehst du jetzt, warum sie uns braucht? Was würden ihr Helfer nützen, die alles vergessen.«
Iwri war jetzt sicher, dass der Alte ihm die Wahrheit sagte. Er wusste es, weil es seine eigene Wahrheit war, die er so lange in sich zum Schweigen verurteilt hatte. Und während sie sich jetzt wieder mit aller Macht vernehmen ließ, fühlte er zugleich in sich einen rasenden Zorn aufsteigen, einen Zorn, der seinen ganzen Körper schmerzen machte.
»Und wenn also das Schattenvolk«, sagte er heiser. »diese verfluchte Droge nicht langer bekäme …...«
»Ja«, stieß der Alte kaum hörbar hervor, »sie würden alle anfangen, schrecklich zu leiden, weil sie anfangen würden, sich zu erinnern…....Aber nur so finden sie den Weg aus Misraim. Darum musst du sie Leiden machen, du musst alles zerstören…….. Geh, tu‘s und tu es schnell! «
Der Alte sank in sich zusammen, sein Kopf fiel zur Seite. Er sah plötzlich merkwürdig klein aus. Er war tot.
»Ja«, sagte Iwri mit rauher Stimme, »das will ich. Verlass dich drauf, mein Freund.«
Er suchte unter den verrotteten Werkzeugen den schwersten Hammer aus, den er finden konnte, und ging hinaus zu den Glashäusern.
Obwohl das Zerstörungswerk schneller vonstatten ging als die langwierigen und mühsamen Reparaturarbeiten, nahm es dennoch sehr viel Zeit in Anspruch, denn die gesamte Anlage war riesig, und er war allein. Er zerschlug systematisch alle Scheiben, brach die Rohre aus den Wänden, zerstampfte die Pilze, die sich sofort in schleimigen Brei auflösten, und zerschmetterte alle Beleuchtungskörper. Ein Treibhaus ums andere versank in Dunkelheit. Er tobte mit einer Art wilder Besessenheit herum, schrie und lachte dabei, bis er erschöpft niederfiel und eine Weile schlief. Dann raffte er sich on neuem auf und wütete weiter. Was ihm dabei immer von neuem Kraft gab — eine Kraft, die er so nie zuvor besessen hatte — war nicht nur das Bewusstsein, für die Befreiung des Schattenvolkes zu kämpfen, sondern auch sein ganz persönlicher Zorn auf Lewjothan, die heuchlerische Ärztin, die seine Hilflosigkeit und Gutgläubigkeit auf so infame Art ausgenützt hatte. Er wartete eigentlich darauf, dass sie selbst oder doch ihre Leute auftauchen würden, um ihn an der restlosen Zerstörung der Anlagen mit Gewalt zu hindern. Er wünschte einen solchen Kampf geradezu herbei, auch wenn dieser mit seiner eigenen Niederlage enden sollte. Aber nichts dergleichen geschah, er blieb nach wie vor allein. Sollten sie am Ende Angst vor ihm haben? Ertrugen sie es nicht, durchschaut zu sein? Waren sie vielleicht überhaupt nicht so mächtig, wie er und alle bisher geglaubt hatten?
Irgendwann kam dann der Augenblick, in dem das letzte Treibhaus in Trümmern lag und das letzte Licht erlosch. Es war zu Ende, und er stand in völliger undurchdringlicher Finsternis. Planlos, wie er vor gegangen war, wusste er nun nicht einmal mehr, auf welcher Seite der Riesenhöhle er sich befand und wo die Rampe war, von der aus er einst den ersten Blick über das Meer der glimmenden Lichter geworfen hatte. Er tastete sich vorwärts, unter seinen Sohlen knirschende Glassplitter oder schmatzender Morast. Er versuchte, an den Resten, die seiner Zerstörungswut entgangen waren, irgendeine Richtung zu erraten, doch machte er sich wenig Hoffnung, den Ausgang wieder zu finden. Im Grunde war es ihm nicht einmal sehr wichtig, was nun aus ihm selbst werden würde. Er hatte das Seine getan.
Doch dieses eine Mal wenigstens schien das Glück auf seiner Seite zu stehen. Er fand die Rampe, er erklomm sie und tastete sich den Gang entlang bis zu jener geheimen Tür. Sie ließ sich freilich nicht öffnen, da er das Signal nicht mehr erinnerte, aber es gelang ihm ohne große Schwierigkeit, sie mit dem schweren Hammer, den er noch immer mitschleppte, einzuschlagen. Er war wieder in den Katakomben von Misraim.
Er hatte sich nicht gefragt, was eigentlich er zu sehen erwartet hatte. Aber der erste Eindruck war für ihn ein Schock der Enttäuschung. Es hatte sich nichts verändert — dieselben endlosen Kolonnen von Schatten, die gehorsam in alle Richtungen durch die labyrinthischen Korridore, über Treppen und Brücken zogen, arbeiteten, Nahrung aufnahmen und in
ihren Nischen die Schlafphasen verbrachten, wie damals er von hier fortgebracht worden war. Alle gehorchten der Stimme des großen Anordners, die ihnen jede Entscheidung abnahm, und alle schienen
damit zufrieden. Aber dann ermahnte Iwri sich selbst zur Geduld, denn es konnte ja das Fehlen on GUL, diesem verdammten Serum des Vergessens, erst nach und nach seine Wirkung tun.
Er musste auch tatsächlich nicht allzu lange warten, bis er die ersten Entzugserscheinungen beobachten konnte. Sie waren sehr viel erschreckender, als er sie sich vorgestellt hatte. Keiner von dem Schattenvolk war je daran gewöhnt, auf diese Art zu leiden, und so waren die Reaktionen unverhältnismäßig heftig. Manche warfen sich plötzlich zu Boden, als hätten sie die Fallsucht, schlugen um sich, schrien gellend um Hilfe. Andere rannten in Panik los und schlugen mit den Fäusten oder gar mit den Köpfen gegen die Wände, bis sie zusammenbrachen. Einige setzten sich nieder, wo sie gerade standen, rührten sich nicht mehr und röchelten mit verdrehten Augen wie Erstickende. Die noch nicht soweit waren, sahen mit ratlosem Entsetzen zu. Die Fälle mehrten sich von Stunde zu Stunde. Immer weniger wurden es, die noch auf heisere Stimme des Großen Anordners hörten. Die Szenen, die sich vor Iwris Augen abspielten, waren so jammervoll und erbarmungswürdig, dass er am liebsten alles rückgängig gemacht hätte, wenn es denn noch möglich gewesen wäre.
Er kannte all diese Leiden ja nur allzu gut aus eigener Erfahrung und fühlte sich nun mitschuldig daran, obgleich er sich immer wieder sagte, dass in Wahrheit ja nicht er es war, der dieses ganze Unglück verursacht hatte, dass es vielmehr durch ihn nur endlich offenbar geworden und dass dies unabwendbar und letzten Endes notwendig war.
Schließlich brach ein Pandämonium los. Ströme von Tobenden brandeten gegeneinander in besinnungsloser Angst und Verzweiflung, trampelten sich gegenseitig nieder und rannten brüllend und heulend durch alle Tunnel und Hallen des Labyrinths. Wenn das Ganze nicht in einem sinnlosen gegenseitigen Massaker enden sollte, so musste sofort etwas geschehen. Die allgemeine Panik musste in eine gezielte Revolte umgewandelt werden, in einen Kampf gegen den Kerkermeister und in die systematische Suche nach einem Weg, der ins Freie führte.
Nach und nach gelang es Iwri, sich Gehör zu verschaffen. Erst waren es nur wenige, die er soweit beruhigen konnte, dass sie ihm überhaupt zuhörten, doch dann wurden es rasch mehr, denn die Nachricht, dass da einer sei, der Bescheid wisse und helfen könne, flog von Mund zu Mund. Aus Hunderten wurden Tausende, und immer mehr strömten herbei und horchten mit offenen Mündern begierig auf Iwris Worte. Er hatte sich in einer der größten Hallen auf einen Sockel geschwungen und hielt Brandreden, in denen er dem Schattenvolk alles sagte, was er in Erfahrung gebracht hatte, und es dazu aufrief, sich nun gemeinsam zur Wehr zu setzen, die Gewalt mit Gewalt zu brechen und die Machthaber zu zwingen, sie freizugeben.
Nicht jeder verstand, was er hörte, aber jeder schloss sich ihm an. Sie bewaffneten sich mit allem, was halbwegs geeignet schien, mit Stangen und Rohren und Werkzeugen aller Art, formierten sich in Gruppen, und schließlich setzte sich ein riesiges Heer schattenhafter Gestalten in Marsch durch das endlose Labyrinth. Dabei brüllten sie in Sprechchören:
»Bechmoth, zeig dich! Bechmoth, zeig dich!« oder »Deine Zeit ist aus — wir wollen hinaus.<
Zunächst schien alles vergeblich — offenbar bestand der strategische Plan der Direktion darin, die Revolte sich in sich selbst totlaufen zu lassen —‚ aber dann geschah etwas höchst unerwartetes. Das auch Iwri sich nicht zu erklären wusste. Als ob von außerhalb Misraims auf die Rufe geantwortet würde, gingen anfangs leichte, dann immer heftigere Erschütterungen durch die Wände und Decken der Katakomben wie von Erdbeben, doch kam dabei wunderbarerweise niemand zu Schaden, denn die Mauern stürzten nicht ein, sondern sie verschwanden ganz einfach, lösten sich sozusagen in Nichts auf, als habe es sie nie gegeben. Dieser rätselhafte Vorgang war von einem Donnergrollen begleitet, das aus einer unendlichen Ferne zu kommen schien und wie eine große Stimme klang, die rief: komm! Komm! Komm! Doch natürlich waren es keine Worte, sondern nur das Poltern und Dröhnen der berstenden Wände.
Die Bewegung der Heerzüge war zum Stehen gekommen. Niemand wagte mehr einen Schritt, viele hielten sich gegenseitig umklammert. Und dann geschah es plötzlich — und alle sahen es mit Staunen und Schrecken —‚ dass am Ende eines lang gestreckten Saales in der Wand der Stirnseite langsam ein riesiger Riss entstand, der sich mehr und mehr teilte. Das Licht, das durch ihn hereinflutete, war so überhell, oder jedenfalls schien es den lichtentwöhnten Augen des Schattenvolkes so, dass alle die es sahen, sich die Hand vor die Augen hielten oder sich halb abwandten.
»Mir nach!« rief lwri, » Dorthin! Das ist der Weg ins Freie «
Er wollte losstürmen, doch darin hielt er unwillkürlich inne, so dass die hinter ihm Drängenden ihn vorwärts stießen. Im scharfen Gegenlicht sah er vor dem Riss in der Wand zwei Gestalten stehen, hohe Gestalten, größer als jeder im Schattenvolk. Sie standen ruhig und abwartend da, offensichtlich entschlossen, nicht von der Stelle zu weichen. Da man sie nur als schwarze Silhouetten sehen konnte, waren ihre Gesichter nicht zu erkennen, aber lwri war sicher, dass es sich bei der einen um Lewjothan, die Ärztin, handelte. Die andere Gestalt war noch etwas größer, dennoch wirkte ihre Haltung merkwürdig gebückt wie die eines Buckligen. Es schien sich um einen uralten riesigen Greis zu handeln. Sein dreieckiger Schädel war von spiegelnder metallischer Kahlheit, und seine Gliedmaßen wirkten wie in einem unaufhörlichen Krampf verrenkt und verkrümmt. Sein ganzer Körper sah aus, als bestünde er aus grauem Blei. Iwri nahm seine ganze Kraft zusammen. Er trat einige Schritte auf die beiden zu und schrie sie an; »Geht weg! Macht uns Platz Ihr habt kein Recht uns aufzuhalten.«
Die Menge hinter ihm nahm die Rufe auf und drängte vorwärts.
Der Bleierne hob eine Hand. Es wurde still.
«Nein!« rief Iwri, noch ehe jener etwas sagen konnte, hört ihm nicht zu! Sie werden beide lügen.«
Ich werde nicht lügen«, sagt der Bleierne, und jeder im Schattenvolk erkannte diese beschwörende, heisere Stimme wieder. »Ich werde euch die Wahrheit sagen. Wollt ihr sie hören? «
«Nein!« schrie lwri, »Schweigt beide! Und verschwindet!«
Aber in der Menge wurden einzelne Rufe laut:
»Doch, er soll reden ... « — »Wir wollen hören, was die zu sagen haben.« — »Er soll sich vor uns rechtfertigen.« — »Wir lassen uns Sowieso nicht aufhalten.«
»Niemand«, sagte der Bleierne langsam, »hat die Absicht, euch aufzuhalten. Wir haben es bisher nicht versucht, und wir werden es auch jetzt nicht tun. «
»Das ist richtig«, riefen einige dazwischen. »er hat sich bisher nicht mal gezeigt. Warum nicht? Hatte der Große Anordner etwa Angst?«
Höhnisches Gemurmel war zu hören.
» Nein, keine Angst«, antwortete Bechmoth, » warum auch? Ihr könnt tun, was ihr tun wollt, wie ihr es immer getan habt. Wer dort hinaus will, der soll gehen, niemand wird ihn zurückhalten. Es ist eines jeden Entscheidung, und wir respektieren sie.«
»Jetzt auf einmal?« warf einer ein. »Warum so plötzlich und warum nicht schon früher?«
» Es war immer euer eigener Wille, den wir ausgeführt haben«, sagte Bechmoth. »Nur wisst ihr es nicht, ich fürchte, es liegt ein großes Missverständnis zwischen euch und uns vor. Ich würde es gerne aufklären. Schenkt mir ein paar Minuten eure Aufmerksamkeit. Danach könnt ihr selbst entscheiden, was euch gut und richtig erscheint.«
» Wir haben schon entschieden«, rief lwri. »Wozu noch das Gerede!«
»Worauf will er hinaus?« schrien andere. »Er soll das erklären!«
Die Menge war erregt, eine gewisse Unsicherheit machte sich breit. Da und dort fingen einzelne an, sich mit anderen zu streiten. Es dauerte eine Weile, ehe wieder Ruhe eintrat. Schließlich begann Bechmoth zu reden, mit müder gebrochener Stimme anfangs, dann aber schien er nach und nach Kraft zu gewinnen.
»Ich weiß, ihr hasst mich jetzt, denn man hat euch eingeredet ich sei es, der euch gefangen gehalten hat, um an euren Leiden meine Gier nach Macht zu sättigen. War es nicht so? Man hat euch gesagt, dieses ganze unendliche Katakombensystem, die Welt von Misraim, sei nichts als ein riesiger Kerker, in dem ihr schmachtet und ich sei der Direktor dieses Gefängnisses, der danach trachtet, euch alle in völliger Sklaverei zu halten. Ist das nicht eure Meinung? — Aber ich frage euch — und seid bitte wahrhaftig euch selbst gegenüber —‚ wer von euch hat denn je unter mir gelitten? Wer hat denn geschmachtet unter meinem Joch? Wart ihr nicht die zufrieden mit eurem Dasein, als die Dinge noch ihre alte Ordnung hatten? Haben wir nicht für euer Wohlergehen gesorgt? Sagt mir doch — aber seid ehrlich — wer von euch hat sich denn als Gefangener gefühlt und war unglücklich darüber?«
»lch !« schrie Iwri. Der Bleierne streckte langsam die Hand aus und zeigte auf ihn.
Dieser eine«, sagte er. »ein einziger also unter euch allen. Er ist anders als ihr, er ist ein Sonderfall, er gehört nicht zu euch.«
» Aber jetzt«, riefen mehrere Stimmen dazwischen, »jetzt fühlen wir alle wie er. Vorher waren wir blind, wir wussten nicht, was mit uns geschieht, er hat uns erst die Augen geöffnet. Jetzt wissen wir, was ihr mit uns gemacht habt.«
Nun meldete sich zum ersten Mal die Trösterin zu Wort:
>Wisst ihr das? Wisst ihr das wirklich? Ihr wisst nur was dieser eine da euch gesagt hat. Aber hat er euch denn alles gesagt? Hat er euch gesagt, dass er allein es war, der das Leiden über euch alle gebracht hat? Er hat die Anlagen zerstört, in denen wir das Medikament gewonnen haben, das euch bisher alles Leiden erspart hat. Er allein trägt die Verantwortung dafür, dass nun keines mehr zur Verfügung steht. Und hat er euch etwa gefragt, ob ihr darauf verzichten wollt oder nicht?«
»Wie hätte ich sie denn vorher fragen können?« wollte Iwri rufen. »sie hätten mich nicht einmal verstanden,« Aber er kam nicht dazu.
»Er hat einfach für euch alle entschieden«, fuhr die Ärztin fort, »aber hat er euch auch gesagt, warum er‘s tat? Weil auf ihn das Serum keine Wirkung hat, ihm allein unter euch allen hilft es nicht. Darum hat er beschlossen, euch alle krank zu machen, damit ihr sein Leiden teilt, damit ihr seinen Willen tut, denn er allein hätte niemals diesen Weg aus den Katakomben von Misraim eröffnen können. Und nun sagt mir, wer hat euch benützt, wer hat euch zu seinem Werkzeug gemacht, dieser da, der euch all die Schmerzen, die Angst, die Verzweiflung zumutet, um so seine eigenen Ziele zu verfolgen, oder wir, die wir alles getan haben, um euch davor zu bewahren?«
Das Schattenvolk war verwirrt. Zweifelnde, misstrauische, auch schon hasserfüllte Gesichter wandten sich lwri zu.
»Hört mich an!« schrie er ihnen zu. »Wir haben gemeinsam diesen Weg ins Freie gefunden, und wir werden gemeinsam der Gefangenschaft entrinnen. Denn dass diese beiden uns gefangen gehalten haben, das steht doch nun fest, und ebenso, dass wir alle hinaus wollen.«
Wieder nahm jetzt der Bleierne das Wort:
»Er sagt, ihr wollt dort hinaus. Aber wisst ihr denn, was euch dort draußen erwartet? Diese Welt ist für euch nicht bewohnbar. Das erbarmungslose Licht allein schon wird euch in Stücke reißen. Ihr werdet nicht wissen, wo oben und unten ist, ihr findet dort nichts, woran ihr euch halten könnt. Eine große Leere wird euch verschlingen. Jeden Atemzug und jeden Herzschlag müsst ihr aus eigener Kraft beschließen und jede Entscheidung bindet euch für immer und ewig. Noch einmal sag ich‘s euch: Diese Welt ist für euch nicht bewohnbar. Darum ist das Schattenvolk einstmals vor ihr herunter geflohen und hat uns um Zuflucht gebeten vor jenem unerträglichen Licht. Zu keinem Zeitpunkt haben wir euch gefangen gehalten, nein, euer eigener Wille war es, dem wir gehorcht haben. Nicht ihr habt uns gedient, meine Freunde, sondern wir euch. Wir haben für euch die Katakombenwelt von Misraim erschaffen, und wir haben sie euch so bequem wie möglich gemacht. Nun wollt ihr das alles zerstören, wegen dieses einen hier, der anders ist als ihr. Aber besinnt euch! Noch ist es nicht zu spät. Wenn ihr wollt, kann der Wiederaufbau noch in dieser Stunde beginnen. Alles kann werden wie vorher. Entscheidet euch jetzt! Geht mit ihm hinaus und in euer eigenes Verderben — oder entledigt euch seiner für immer, indem ihr ihn ausstoßt, damit diese klaffende Wunde, die unsere Welt erlitten hat, sich wieder schließen und heilen kann.«
Iwri wollte antworten, er wollte den anderen zurufen, dass nicht wahr sein könne, was Bechmoth gesagt hatte, weil dort draußen schließlich die Welt sei, aus der sie alle stammten — aber einen Augenblick lang zögerte er, denn er war selbst unsicher geworden.
Es herrschte tiefe Stille. Alle hatten die Gesichter von dem überhellen Licht abgewendet. Die Stangen und Rohre in ihren Händen senkten sich gegen Iwri. Ohne ihn anzuschauen stießen sie ihn vor sich her auf den Riss in der Mauer zu. All das geschah schweigend. Iwri wehrte sich nicht.
Erst als er durch den Spalt hinaus gestoßen wurde, stieß er einen gellenden Schrei aus.
Während der Riss in der Wand sich langsam hinter ihm schloss, klang ein vielfacher Nachhall durch alle Gänge und Höhlen des Labyrinths. Jeder im Schattenvolk hatte ihn gehört, aber keiner konnte später sagen, ob es ein Schrei des höchsten Entzückens gewesen war oder einer der letzten, endgültigen Verzweiflung.

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